Umgang mit Demenzkranken: Warum sich Demenzerkrankte verunsichert fühlen

Demenzkranke handeln oft anders als Sie erwarten!

Doch Ihre Lieben machen das nicht absichtlich

Als Demenzbegleiterin besuche ich Margit nun schon seit drei Jahren, und zwar immer am Donnerstag. Margit ist 95 Jahre alt und einen Kopf kleiner als ich. Eine liebgewonnene Tradition ist, dass wir miteinander Jolly spielen. Wir spielen immer sehr harmonisch, also ohne Streit oder Diskussion. Es geht dabei gar nicht so darum, wer letztendlich gewinnt, sondern einfach ums Spielen.

Wichtig ist aber immer wieder zu zählen, wer wie viele Punkte hat und die jeweiligen Punkte dann auch aufzuschreiben. Im Punktevergleich schleicht sich bei ihr oder mir doch eine kleine Freude ein, wenn sie bzw. ich mehre Punkte hat.

Mehr als ein Spiel

Neben dem Spiel selbst, geht es auch ums Reden. Insbesondere über Vergangenes aber auch einfach über das Spiel selbst wie lange das Spiel jetzt grad gedauert hat bzw. dauert. Ein bisserl Flunkern im Sinne „jetzt habe ich doch wieder schlechte Karten“ darf auch dabei sein. Margit freut sich dann, wenn sie überraschenderweise doch „runtergehen“ kann.

Demenzerkrankte verändern sich

Doch die Situation hat sich verändert. Nein, eigentlich ist es nicht die Situation, die sich verändert hat. Es ist Margit, die sich verändert hat:

  • ihr fällt es schwer, die Karten richtig aufzulegen
  • sie verwechselt die Jollykarte mit der Asskarte bzw.
  • weiß Margit nicht mehr, mit wie vielen Punkten sie ablegen darf
  • tut sich schwer, die Kartenpunkte zu zählen

Margit erlebt diese Veränderung unbewusst doch sehr bewusst. Margit spürt, dass da was grad nicht stimmt, kann das aber „was nicht stimmt“, nicht in Worte fassen. Dieses „jetzt nicht wissen“ verbunden mit der Unmöglichkeit, ihre Situation in Worte zu fassen, das alles macht ihr Sorgen und auch Angst. Es macht sich ein Gefühl der Machtlosigkeit breit. Ihre Angst und die damit verbundenen Gedanken scheinen ihr ins Gesicht geschrieben zu sein:

  • Mache ich das grad richtig?
  • Was soll ich da jetzt grad überhaupt machen?
  • Was ist grad los mit mir?
  • Was stimmt da grad nicht mit mir?
  • Wieso kann ich das grad nicht?

Mit all diesen Gedanken und den aufkommenden Gefühlen fühlt sich Margit etwas orientierungslos.

Als Demenzbegleiterin nehme ich diese Orientierungslosigkeit auf und gehe darauf ein. Ich weiß, dass Margit nicht bewusst „falsch“ spielt.

 

Was bedeutet das für Angehörige von Demenzerkrankten?

Ich weiß, dass es schwierig ist, zu beobachten, wie sich unsere Lieben mit der Erkrankung verändern. Wenn Fähigkeiten, die sie einmal hatten, schwinden oder gar verloren gehen.

Bei Margit hat sich das Schamgefühl breit gemacht:

  • Sie hat versucht, die Situation zu überspielen
  • Nach ihren eigenen Regeln gespielt
  • Und letztendlich auch nachgefragt, ob es denn eh so passt.

Für uns Betreuende ist wichtig zu wissen, dass unsere Lieben nichts absichtlich machen.

Was bedeutet das in unserem Beispiel?
Margit spielt nicht absichtlich falsch. Sie ist verunsichert. Macht sich Sorgen. Versucht nach den Möglichkeiten, die ihr grad zur Verfügung stehen, „irgendwie“ eine Lösung zu finden.

Was können Sie in der Situation tun?

Annehmen was da ist.

Das bedeutet, dass Ihr nach den neuen bzw. abgeänderten Spielregeln von Margit spielt. Margit hat neue Spielregeln eingeführt und danach spielt Ihr jetzt.
Was bedeutet das in unserem Beispiel?
Ihr würdet halt mit 15 Punkten runter gehen und nicht mit 30.

Nicht korrigieren.

Natürlich ist Ihnen bewusst, dass Margit grad falsch spielt. Margit spürt das instinktiv auch. Korrigieren Sie bitte Margit in Ihren Fehlern nicht. Das würde sie grad noch mehr beschämen. Es würde ihr noch mehr inneren Stress machen. Es könnten dann noch mehr „Fehler“ passieren.
Was bedeutet das in unserem Beispiel?
Sie sagen Margit nicht, dass sie jetzt zu wenige Karten aufgelegt hat. Sie korrigieren Sie nicht. Sie fordern Sie nicht auf, noch die fehlenden 5 Karten aufzulegen.
Sie könnten eventuell sagen: „vielleicht legen wir noch 5 Karten dazu auf, das fühlt sich dann in der Hand grad richtig an.“

Bestärken.

Margit, die bereits sehr verunsichert ist, fragt nach, ob sie das denn richtig mache. Hier geht es darum, Margit in Ihrem Tun zu unterstützen.

Was bedeutet das in unserem Beispiel?

Bei Margit war das Jolly-Spiel in der Vergangenheit eine Ressource. Wir reden von der Vergangenheit, wo sie das Spiel in der Familie immer gespielt hatte. Der Onkel, der nie damit aufhören wollte. Daran erinnert sich Margit gerne. Das war zwar im Krieg. Aber das gemeinsame Spiel war eine schöne Tradition.
Konkret kann man sagen, dass das ganz richtig ist. Dass sich vielleicht eine falsche Karte hineingeschummelt hat. Bei Margit hat das gut geholfen. Sie hatte selbst gesehen, dass da jetzt was komisch ist und sich gefreut, dass sie sich selbst korrigiert hat.

Bitte bedenken Sie. Jede Person ist einzigartig. Jede Situation ist einzigartig.
Jede Person / jede Situation benötigt einen individuellen Zugang.

Kennen Sie auch eine ähnliche Situation? Haben Sie noch keine Lösung für Ihre Situation gefunden?
Dann melden Sie sich bitte!
Ich bin gerne für Sie da!

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